DEFINITION
„Zerebralparese ist eine Gruppe von dauerhaften Störungen der Bewegungs- und Haltungsentwicklung, welche eine Aktivitätseinschränkung verursachen, die einer nicht progressiven Störung im sich entwickelnden fetalen oder kindlichen Hirn zuzuordnen ist. Die motorischen Störungen der Zerebralparese sind oft mit Störungen der Empfindung, der Perzeption, der Kognition, Kommunikation, und Verhalten, als auch der Epilepsie und sekundären muskuloskelettalen Problemen verbunden.“
Literatur: International Workshop on Definition and Classification of Cerebral Palsy, Bethesda, Maryland, July 11–13. srpanj 2004; Executive Committee for the Definition of Cerebral Palsy: M.Bax, M.Goldstein, P.Rosenbaum, A.Leviton, N. Paneth).
HÄUFIGKEIT
Die Krankheitshäufigkeit liegt zwischen 2-4‰.
URSACHE
Nach den Ursachen und daher auch nach einer möglichen primären Prävention von Zerebralparesen wird noch immer gesucht. Der Durchbruch, den Wissenschaftler in den letzten Jahren geschafft haben, besteht in der Erkenntnis, dass trotz vorherigen Annahmen, die meisten Zerebralparesefälle nicht durch Geburtskomplikationen, sondern durch verschiedene pränatale Faktoren und Vorgänge verursacht werden.
Stanley hat im Jahr 2000 die Ursachen von Zerebralparese als Risikofaktoren vorgeschlagen. Folgende Ursachen lassen sich unterschieden: pränatale Faktoren, sehr frühe Geburt (vor der 32. Schwangerschaftswoche), extrem frühe Geburt (vor der 28. Schwangerschaftswoche), intrauterine Wachstumshemmung, Zeichen der perinatale Asphyxsie, multiple Schwangerschaften und postnatal erworbene Zerebralparese.
Es gibt zahlreiche pränatale ursächliche Faktoren. Die TORCH-Infektionen (Toxoplasma gondii, Rubella, Cytomegalievirus und Herpes), die von der Mutter auf das Kind in den ersten zwei Trimestern übertragen werden, können angeborene Gehirnmalformationen verursachen, und im letzten Trimester führen sie zu Hirnschädigungen. Der Alkoholkonsum während der Schwangerschaft wurde längst als Ursache von Hirnschaden erkannt und wird auch als fetales Alkoholsyndrom bezeichnet. Das Rauchen während der Schwangerschaft gehört zu den Faktoren, die zu einem niedrigen Geburtsgewicht führen, wobei seine schädliche Wirkung schon ab der 7. Schwangerschaftswoche einsetzt. Es gibt noch die seltene Krankheit familiäre Zerebralparese (eng. : family cerebral palsy), die für 1.5 % der Erkrankungen verantwortlich ist und autosomal rezessiv übertragen wird.
Die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung an einer Zerebralparese ist 30-mal höher bei sehr früh geborenen als bei Kindern die rechtzeitig geboren sind.
Intrauterine Infektionen sind eine mögliche Ursache von Zerebralparese(n), sowohl bei frühgeborenen als auch bei rechtzeitig geborenen Kindern. Zu den häufigsten Erregern gehören B-hämolytische Streptokokken, E. coli und Listeria monocytogenes.
Intrauterine Wachstumshemmung bedeutet, dass ein Kind mit zu geringem Gewicht im Verhältnis zu seinem Alter geboren wird. Der genaue Zusammenhang zwischen dieser Erscheinung und Zerebralparese ist noch nicht bekannt.
Sauerstoffmangel während der Geburt kann eine Zerebralparese verursachen aber gehört nicht zu den häufigsten Ursachen. Sauerstoffmangel kann durch Folgendes verursacht werden: lange und erschwerte Geburt, Nabelschnurvorfall, Mekonium im Fruchtwasser, Geburtstrauma, Beckenendlagegeburt und anderes.
Multiple Schwangerschaften sind auch ein Risikofaktor, der zu einer Zerebralparese führen kann, vor allem weil sie die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt und das Risiko für ein geringes Geburtsgewichts steigern.
Mögliche postnatale Ursachen von Zerebralparese sind Blutgerinnungsstörungen, pränatale Stoffwechselstörungen, Infektion als die häufigste Ursache von postnatalen Enzephalopathie und Kopfverletzung als die zweithäufigste Ursache.
KRANKHEITSBILD
Die Zerebralparese ist gekennzeichnet durch Bewegungsstörungen. Neben den immer vorhandenen motorischen Symptomen, gehen Zerebralparese auch mit verschiedenen anderen Symptomen einher (Epilepsie, verzögerte Sprachentwicklung und andere Sprachstörungen, erhöhter Speichelfluss, geistige Behinderung, Ess-, Verhaltens-, Sensibilitäts- und Lernstörungen usw.). Dies bedeutet nicht, dass alle an einer Zerebralparese erkrankten Kinder alle oder einige von den genannten Komplikationen aufweisen, sonder nur dass sie häufiger bei Kindern erscheinen, die unter Zerebralparese leiden.
Allein der Begriff Zerebralparese wird von Eltern als Paralyse, die Unfähigkeit sich zu bewegen, wahrgenommen. Eine Zerebralparese geht fast nie mit vollständiger Unbeweglichkeit einher, aber die Bewegungsfunktion ist schon eingeschränkt und ihre Qualität beeinträchtigt.
Die Symptome setzen nicht gleich ein, sondern entwickeln sich mit der Zeit. Bei sehr kleinen Babies können die Symptome einer Zerebralparese über eine sehr lange Zeit hinweg unbemerkt bleiben, so nehmen beispielsweise Eltern von Kindern mit Hemiparese im Durchschnitt erst im Alter von 6-8 Monaten die Probleme wahr, was relativ spät für eine optimale Rehabilitation ist. Zudem bleibt bei sehr kleinen Babies meistens erhöhter Muskeltonus, das deutlichste Zeichen von Zerebralparese, aus. Er ist in den meisten Fällen am Anfang eigentlich vermindert.
Die Entwicklung von einem Kind, bei dem sich eine Zerebralparese entwickeln wird, ist verändert (verzögert, verändert oder einige Entwicklungsmerkmale fallen komplett aus wie z.B. das Drehen vom Bauch auf den Rücken, die Möglichkeit selbständig zu sitzen u. a.)
Bei allen Formen von Zerebralparese ist ein veränderter Muskeltonus (Muskelspannung) vorhanden, wobei es sich meistens um einen erhöhten Muskeltonus der Extremitäten (Hypertonie), verminderten Muskeltonus (Hypotonie) oder schlagartige Veränderungen im Muskeltonus handelt. Oft sind auch primitive Reflexe vorhanden.
Wegen den Störungen des Muskeltonus und der Körperhaltung treten im späteren Alter oft Kontrakturen (Einschränkungen der der Bewegung in einigen Gelenken) oder Deformationen (Skoliose, Luxation und Subluxation der Hüftgelenke, Fußdeformationen z.B. Valgus- oder Varusstellung) auf.
Das Krankheitsbild kann auf Grund der Schwere der Erkrankung und der Symptomen sehr unterschiedlich aussehen.
Bei Kindern, die an leichten Formen der Zerebralparese leiden, können die Einschränkungen geringer sein, als das was man normalerweise unter Zerebralparese versteht. Manchmal ist die Grenze zwischen „einem sehr ungeschickten Kind“ und einer milden Form der Zerebralparese sehr unklar.
In schwereren Fällen können verschiedene Probleme auftreten und zwar mit dem Gehen (Hinken, erschwertes Gehen, Gehen mit Gehhilfen wie z.B. Walker oder Rollstuhl), mit dem Sitzen (Unfähigkeit aufzusitzen, instabiles Sitzen usw.), mit der Feinmotorik und generell allen motorischen Funktionen.
In den schwersten Fällen sind Kinder (später auch als Erwachsene) rund um die Uhr völlig auf die Pflege und Fürsorge von anderen angewiesen.
Der Zeitpunkt der Diagnose einer Zerebralparese ist unterschiedlich in den jeweiligen Anstalten und Ländern. In unserer Poliklinik hängt die Diagnose nicht vom Alter des Kindes ab, sonder wir stellen die Diagnose, wenn wir einschätzen, dass die anormalen Bewegungsstörungen als permanent einzustufen sind.
PROGNOSE
Bis 1997 enthielten Prognosen von zukünftigen Fähigkeiten oder Einschränkungen von Menschen mit Zerebralparese meistens nur Beschreibungen, bzw. die Schwere des Krankheitsbildes wurde als leicht, minderschwer oder schwer bezeichnet.
Die Prognose der Krankheit an sich, einschließlich der häufigsten Frage, ob das Kind laufen wird, war sehr prekär.
Seit 1997 wird eine Klassifikation der Schwere des Krankheitsbildes verwendet. Sie hat sich als sehr zuversichtlich erwiesen und ergibt eine relativ zuversichtliche Prognose über die späteren Möglichkeiten und Einschränkungen eines Kindes mit Zerebralparese. Heute ist sie die am meisten verwendete Klassifikation auf der Welt. Es handelt sich um das Gross Motor Function Classification System (GMFCS), das aus 5 Stufen der Schwere des Krankheitsbildes besteht.
Das GMFCS beschreibt die motorischen Fähigkeiten von Kindern mit Zerebralparese. Das grundlegende Kriterium dabei ist ihre Fähigkeit sich selbstständig zu bewegen, mit dem Schwerpunkt auf dem Sitzen und Gehen. Der Unterschied zwischen den einzelnen Stufen basiert sich auf den funktionalen Möglichkeiten und den Bedarf nach unterschiedlichen Bewegungshilfen (Walker, Krücken, Rollstuhl), wobei der Qualität der Bewegungen keine besonders wichtige Rolle im Rahmen der Klassifikation zugeschrieben wird.
Die Stufe I (Level I) bezieht sich auf die leichtesten Formen der Zerebralparese und die geringsten Einschränkungen und Stufe V (Level V) auf die schwersten Formen der Zerebralparese, die die Erkrankten meistens völlig abhängig von der Pflege und Fürsorge von anderen machen. Bei der Einstufung ist es wichtig, was das Kind zurzeit machen kann und welche motorischen Einschränkungen es hat, wobei die durchschnittliche und nicht die beste Funktionsfähigkeit zu berücksichtigen ist. Die Erkrankungen werden abhängig von der Schwere des Krankheitsbildes und des Alters des Kinders (bis zum Alter von 2 Jahren, im Alter zwischen 2 und 4 Jahren, und 4 und 6 Jahren) eingestuft.
Besonders wichtig ist die Stabilität des GMFCS. In der fachbezogenen Literatur steht, dass ein Kind, das einer bestimmten Stufe des GMFCS zugeordnet wurde, wahrscheinlich in dieser Stufe auch bleiben wird, ungeachtet der Intervention durch Therapie (dies entspricht nicht völlig der Meinung unserer Poliklinik, womit wir aber keinesfalls die Stabilität und die Bedeutung des GMFCS in Frage stellen wollen, siehe unter Rehabilitationsansatz Stojčević Polovina).
Literatur:
1) Palisano R, Rosenbaum P, Walter S, Russell D, Wood E., Galuppi B.: Development and validation of a gross motor function classification system for children with cerebral palsy. Dev Med Child Neurol 1997; 39: 214-23.
2) Rosenbaum P, Palisano R., Bartlett DJ, Galuppi BE, Russell D.,: Delopment of the Gross Motor Function Classification System for cerebral palsy, Dev Med Child Neurol 2008, 50: 249-253
NATÜRLICHER VERLAUF EINER ZEREBRALPARESE
Es wird oft erwartet, und dies können wir jeden Tag im Umgang mit Patienten und ihren Familien sehen, dass es mit der Zeit einem an Zerebralparese erkrankten Kind immer besser gehen wird. Genau so oft stoßen wir auf Meinungen, dass „wenn er/sie erwachsen ist und mehr verstehen kann, dann wird er/sie auch seine/ihre Bewegungen, sein/ihr Sitzen verbessern können u.Ä. („Wenn er erwachen ist, wird er wissen, dass er auf den Fersen stehen soll und nicht auf den Zehen“).
Um unrealistische Erwartung zu vermeiden, ist es notwendig, zu wissen, wie die Zerebralparese über mehrere Jahre hinweg verläuft. Der Krankheitsverlauf lässt sich am einfachsten mit der Klassifikation erklären, die die Schwere des Krankheitsbildes bei Kindern mit ZP bewertet (GMFCS).
Jeder Stufe des GMFCS kann ein bestimmter Prozentsatz an motorischen Fähigkeiten zugeordnet werden (üblicherweise wird das Resultat der GMFM-Tests als dieser Prozentsatz genommen). So wird geschätzt, dass ein Kind mit Zerebralparese GMFCS-Stufe V, im Laufe seiner Entwicklung seine motorischen Fähigkeiten zu etwa 15% entwickeln kann, geprüft mit GMFM. Wenn er das Limit seiner motorischen Fähigkeiten erreicht hat (für ein Kind mit CP GMFCS V geschieht dies im Alter von etwa 2 Jahren), ist es nicht wahrscheinlich, dass es weitere Fortschritte machen wird, und es ist noch unwahrscheinlicher, dass es in die Stufe IV übergehen wird (leichtere Form). Höchstwahrscheinlich wird sein Zustand unverändert bleiben und sich mit der Zeit langsam verschlechtern, ungeachtet der Therapie- oder Interventionsart. So blieb der Zustand von 73% Kindern mit Zerebralparese, die an der Studie teilgenommen haben, die Palisano 2006 mit seinen Mitarbeitern durchgeführt hat, der gleichen Stufe des GMFCS zugeordnet, und in den Fällen, wo sich der Zustand verändert hatte, ging es meistens um eine Verschlechterung (in die höhere Stufe des GMFCS). Dieses Szenario stellt den natürlichen Verlauf der Zerebralparese dar.
Diese Meinung teilen die meisten Wissenschaftler und Ärzte, die sich mit der Zerebralparese beschäftigen. Der Standpunkt, den unsere Poliklinik vertritt, ist anders. Wir sind der Auffassung, dass der natürliche Krankheitsverlauf durch intensive Rehabilitation beeinflusst werden kann (siehe Rehabilitationsansatz Stojčević Polovina).
KLASSIFIKATION
Es gibt mehrere Klassifikationen von Zerebralparese(n).
Die schwedische Klassifikation wurde 1990 auf der Konferenz auf den Brijuni-Inseln wegen ihrer Simplizität angenommen. Gemäß dieser Klassifikation unterscheiden wir:
1. Spastische Zerebralparese | Tetraparese |
Hemiparese | |
Diparese | |
2. Dyskinetische Zerebralparese | Meistens choreo-athetoide |
Meistens dyskinetische | |
3. Ataktische Zerebralparese | Diparese |
Kongenitale (einfache) |
Zerebralparese kann auch nach den jeweiligen betroffenen Körperteilen untergeteilt werden:
Tip | Hauptmerkmal |
Monopareze | Selten, üblicherweise ist eine untere Extremität betroffen; wahrscheinlicher ist die Hemiparese |
Hemipareze | Arm und Bein auf ein und derselben Körperhälfte betroffen selten auch fraglich, ob es überhaupt um eine ZP geht |
Parapareze | Ausschließlich Beine betroffen, ordentliche Armfunktion, |
Dipareze | Beine stärker betroffen, Arme leichter betroffen, gering motorisch ungeschickte Finger |
Tripareze | Drei Extremitäten betroffen |
Bilaterale spastische, drei Extremitäten vorherrschend betroffen | Alle vier Extremitäten betroffen, aber eine ist geringer betroffen und weist bessere Funktionsfähigkeit auf |
Tetrapareze | Alle vier Extremitäten betroffen |